Liebe Mitstudierende,
der Baustart des neuen Studierendenhauses auf dem IG-Farben-Campus muss sich zum Leidwesen der Studierendenschaft weiter verzögern. Nachdem Anwohner wegen potentieller Ruhestörungen geklagt hatten, entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main auf eine eingeschränkte Gebäudenutzung ab 22 Uhr. Warum angesichts dieses Sachverhalts jetzt noch nicht gebaut werden sollte und welche angemessenen Lösungsmöglichkeiten es geben könnte, erklärt unser AStA in einem offenen Brief an das Präsidium der Goethe-Universität, dem wir als Fachschaftsgruppe Geschichte hiermit die verdiente Reichweite verschaffen möchten:
„Sehr geehrte Frau Präsidentin Prof. Dr. Wolff,
sehr geehrter Herr Kanzler Dr. Fester,
wir richten uns an Sie aufgrund unserer letzten gemeinsamen Sitzung vom 19. September zur Zukunft des neuen Studierendenhauses am IG-Farben-Campus. In der Sitzung wurde
deutlich, dass die bisherige Außenflächenplanung auf dem künftigen Grundstück unzureichend geplant ist. Auch nach dem neuen Immissionsgutachten ist zu erwarten, dass die vorliegende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt, die eine eingeschränkte Nutzung von 6 bis 22 Uhr vorsieht, nicht aufgehoben wird, da die angedachten Lösungen schlicht ungenügend sind. Trotz dieser Umstände wollen Sie uns zu einer übereilten und unausgereiften Entscheidung hinsichtlich des Baustarts drängen. Dem können und wollen wir nicht nachgeben. Künftige Räumlichkeiten der verfassten Studierendenschaft am IG-Farben-Campus dürfen nicht zur Verwaltungsstätte verkommen. Wir sind nicht bereit, eine solch akute Verschlechterung der Nutzungsmöglichkeiten von Seiten der Studierendenschaft hinzunehmen.
Statt eines Blicks auf kurze Sicht, der nur scheinbar und temporär für Zufriedenheit sorgt, ziehen wir eine umsichtige Perspektive vor. Dahinter stecken die gleichen Ziele, die 1953 der damalige Präsident der Goethe-Universität Max Horkheimer in seiner Eröffnungsrede des Studierendenhauses formuliert hatte. Die Universität dient als öffentlicher Raum „der Erziehung einer akademischen Jugend, die sich nicht bloß wissenschaftliche Verfahrungsweisen aneignet, sondern die zugleich den Umgang mit Menschen anderer Nationen, Religionen […], freiwillige Hingabe an soziale, künstlerische, sportliche Tätigkeiten, Liebe zum Denken und Forschen, zum Diskutieren, zur kreativen Muße, kurz die den Geist der realen und tätigen Demokratie praktiziert.“ Damit muss sich dieses Haus auch weiterhin der Re-Education als demokratische Erziehung widmen und diese, im Sinne Horkheimers, als „innere menschliche Verfassung“ begreifen und bilden.
Die Nutzungseinschränkungen gefährden sämtliche Tätigkeiten studentischer Initiativen, die sich durch ihre inhaltliche und praktische Vielfalt auszeichnen. Dies ist nicht hinnehmbar. Gemeint sind damit nicht nur die studentischen Fachschaften oder die autonomen Referate, wie das autonome Schwulenreferat, das autonome Frauen*Lesben-Referat, das autonome AusländerInnenreferat, das autonome Inklusionsreferat oder auch das autonome Elternreferat. Betroffen wären genauso die traditionsreiche studentische Zeitschrift Diskus bis hin zur vielfach vom Hessischen Kinokulturpreis ausgezeichneten Pupille – Kino in der Uni, um nur die Prominentesten zu nennen. Hinzu kommt, dass der IG-Farben-Campus in seiner jetzigen Ausgestaltung jegliche Form studentischer Selbstbestimmung bereits verunmöglicht. Das geplante Studierendenhaus würde sich somit in die dortige Tristesse einreihen und diese verschärfen. Zur Bewahrung des studentischen Lebens der Goethe-Universität können wir einen Bau unter den bisherigen Bedingungen daher nicht verantworten. Ein neues Studierendenhaus müsste mit der, von der Universitätsleitung scheinbar gewünschten Sterilität am IG-Farben-Campus als „Europas schönsten Campus“, brechen.
Nicht zuletzt sehen wir uns als verfasste Studierendenschaft in der Pflicht, mit den aus Steuergeldern und studentischen Semesterbeiträgen finanzierten Mitteln verantwortungsvoll umzugehen. Ein verantwortungsvoller Umgang damit bedeutet, auch diese Gelder zweckgebunden einzusetzen. Zweckgebunden bedeutet an dieser Stelle, einen Bau zu realisieren, der im Interesse der Studierenden ist. Derzeit geplante Räume wie u. a. der Partykeller (160 m²), der Festsaal (350 m²), der Kinosaal (150 Sitzplätze) und der Lernsaal (40 Arbeitsplätze) sowie die dazugehörige Infrastruktur wären somit nicht brauchbar. Die studentische Selbstbestimmung stünde damit vor dem Aus. Schon jetzt sieht der IG-Farben-Campus keinen Raum studentischer Teilhabe vor. Demokratisches Engagement und eine Erziehung zur Mündigkeit brauchen Räume.
Sie werden uns sicherlich darin zustimmen, dass die Frankfurter Studierendenvertretung unter den jetzigen Bedingungen den Baubeginn weder verantworten kann noch möchte, so wie wir es bereits in der Pressemitteilung des AStAs vom 26. Februar 2019 festgehalten hatten. Aufgrund dieser Umstände sehen wir es als alternativlos an, am Bockenheimer Standort zu verharren und mit dem Baubeginn abzuwarten, bis eine tragfähige Lösung gemeinsam erarbeitet wurde. Dem von Ihnen unterbreiteten Angebot eines Grundstückswechsels stehen wir offen gegenüber, sehen es aber nicht als bevorzugte Lösung an. Eine solche Lösung könnte hingegen darin bestehen, das geplante Haus an die südwestlichen Grundstücksgrenzen zu versetzen und damit einhergehende Anpassungen der Außenanlagen vorzunehmen. Gründlichkeit gewänne hier vor Schnelligkeit. Wir sind zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit der Projektleitung die Hindernisse in der Konstruktion der Außenanlagen überwinden können, um die vollständige Nutzung des Hauses zu gewährleisten. Wir sind der Überzeugung, dass dies sowohl in unserem als auch in ihrem Interesse liegt.“